OTH-Lehrinnovationsprofessur 2024
Prof. Dr. Dorothea Thieme im Interview
Frau Prof. Dr. Thieme, was machen Sie in Ihrer Innovationsprofessur?
Das Thema meiner Lehrinnovationsprofessur beschäftigt sich mit EMI (English Medium Instruction) als ein mögliches und sinnvolles pädagogisches Konzept zur Implementierung englischsprachiger Lehrveranstaltungen in den Pflege- und Gesundheitsberufen und insbesondere im primärqualifizierendem Pflegestudiengang.
Vor dem Hintergrund steigender Akademisierung und Professionalisierung wird neben einem starken nationalen Netzwerk auch der Aus- und Aufbau eines internationalen Netzwerkes an Kooperationspartnern notwendig. Eine zunehmende Internationalisierung theoretischer und praktischer Lern- und Studienorte erfordert daher zum fachlichem und wissenschaftlichem Kompetenzerwerb auch den sprachlichen Kompetenzzuwachs bei den Studierenden.
Die Implementierung von Lehrveranstaltungen (LV) in englischer Sprache sind in Planung, Organisation, Durchführung, Steuerung und Qualitätssicherung sehr anspruchsvoll. Die qualitativ hochwertige Durchführung englischsprachiger LV ist mit einem erhöhtem Zeitaufwand verbunden, in deren Verlauf Schwierigkeiten in der Wissensvermittlung auftreten können. Schwierigkeiten und Hindernisse könnten bei Durchführung englischsprachiger LV durch ein fehlendes, geeignetes pädagogisches Konzept auftreten. English Medium Instruction (EMI) versteht sich als ein pädagogisches Konzept, in dem fachliche Inhalte in Kontexten gelehrt werden, in denen Englisch nicht als Erstsprache genutzt wird. EMI eignet sich daher im Hochschulbereich in Modulen und LV (außer Englisch selbst) in Ländern, in denen Englisch nicht die Muttersprache der Mehrheit der Bevölkerung ist.
Wie könnten andere Lehrende, Studierende und Forschende (der OTH) von Ihren Projekten profitieren?
Primäres Ziel ist zunächst der Aufbau englischsprachiger LV mit EMI im primärqualifizierendem Pflegestudiengang, um Studierenden neben fachspezifischen Englischkenntnissen für eine professionelle Versorgung von Patientinnen und Patienten, Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund auch zu einem internationalen Diskurs und Lesen englischsprachiger Literatur zu befähigen. Ein weiteres Ziel ist die Übertragung englischsprachiger LV mit EMI auf andere Studiengänge innerhalb der Fakultät S. EMI kann fakultätsübergreifend Anwendung finden. EMI eignet sich besonders gut im Hochschulsektor, wo Englisch nicht die Muttersprache ist, um neben nationalen auch internationale Studierende an der OTH Regensburg über fachliche Inhalte einen englischen Kompetenzzuwachs zu ermöglichen. Workshops zu EMI mit den Erfahrungen und Evaluationen aus den LV der Fakultät S sind durchaus auch für Kolleginnen und Kollegen weiterer Fakultäten interessant.
Was hat Sie motiviert eine Lehrinnovation verwirklichen zu wollen?
Die Akademisierung und Professionalisierung der Pflege- und Gesundheitsberufe begleiten mich seit vielen Jahren. Seit dem Pflegeberufereformgesetz und der damit einhergehenden Etablierung primärqualifizierender Pflegestudiengänge im Hochschulsektor, benötigen Studierende neben dem fachlichen auch sprachliche Kompetenzen, um mit Patientinnen und Patienten, Bewohnerinnen und Bewohnern sowie Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund kommunizieren zu können. Da die Akademisierung der Pflege in Deutschland im internationalen Vergleich noch stark zurückliegt, benötigen Studierende der Pflege- und Gesundheitswissenschaften neben sprachlichen Kompetenzen zur Patientenversorgung auch einen internationalen Diskurs mit Kolleginnen und Kollegen der Pflege- und Gesundheitswissenschaften. Englischsprachige LV und der daraus resultierende Kompetenzzuwachs könnten eine gute Voraussetzung für einen internationalen Diskurs schaffen. Durch die Auseinandersetzung mit EMI innerhalb der Lehrinnovationsprofessur kann die Frage beantwortet werden, ob EMI ein Konzept darstellt, dass sich zur Implementierung englischsprachiger LV eignet.
Im September 2023 durfte ich selbst einige Wochen am Intensivsprachtraining für Professorinnen und Professoren in Cambridge teilnehmen und EMI als pädagogisches Konzept kennenlernen. Das Intensivsprachtraining hat mich davon überzeugt, in Cambridge Gelerntes auch innerhalb eigener Lehrveranstaltungen pädagogisch einzusetzen, wissenschaftlich zu untersuchen, zu begleiten und zu evaluieren. Die Lehrinnovationsprofessur bietet mir nun die Möglichkeit, mich intensiv mit der Beantwortung dieser Frage zu beschäftigen und mit der Servicestelle Lehre und Didaktik zusammenzuarbeiten.
Wie hoch schätzen Sie den Innovationsgehalt Ihrer LIP ein?
Sehr hoch, da Themen wie die Internationalisierung, Auslandspraktika und englischsprachige LV im Pflegestudiengang bisher wenig implementiert sind. Die Implementierung, wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung von LV mit EMI ermöglicht durch einen sprachlichen Kompetenzzuwachs bei den Studierenden der Pflege- und Gesundheitsberufe eine professionelle Versorgung der Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund und einen erfolgreichen internationalen Diskurs.
Warum sehen Sie gerade in der Pflege Potential für das Konzept EMI?
Primärqualifizierende Pflegestudiengänge sind noch recht neu, so gibt es erst seit 2020 mit dem neuen Pflegeberufegesetz die Möglichkeit Pflege primärqualifizierend zu studieren. Mittlerweile ist der primärqualifizierende Pflegestudiengang an der OTH Regensburg fest etabliert, die Themen Internationalisierung und Auslandspraktika jedoch noch nicht wirklich umgesetzt. Voraussetzung für gelungene internationale Netzwerke sind neben fachlichen Kompetenzen auch sprachliche Kompetenzen der Studierende, die durch englischsprachige LV gefestigt werden können.